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Münchhamer Ragaller Diakon mit 44 Jahren

"Gott will etwas von mir, aber was genau?"

Andreas Ragaller ist ein Spätberufener. Mit 44 Jahren, voll im Leben stehend, entschied sich der Familienvater aus Münchham, Diakon zu werden. Als Weihespruch wählte er ein Zitat von Johannes Bosco: "Lebe so: mit den Füßen auf der Erde, mit dem Herzen im Himmel."

 

Herr Ragaller, wie trinken Sie Ihren Kaffee?


Ragaller: Mit viel Milch, ohne Zucker – eher so in Richtung Latte Macchiato oder Cappuccino.

 

Sie sind erst seit ein paar Wochen für den Pfarrverband Ering im Amt. Welche Erfahrungen konnten Sie in dieser kurzen Zeit schon sammeln?


Ragaller: Nach der Weihe war ich gleich mal wegen Corona 14 Tage außer Gefecht. So ging es für mich erst am 10. Oktober los. Aber ich hatte ja mein Praktikum in Simbach und hielt dabei die Verbindungen nach Ering immer aufrecht. Eigentlich hat sich gegenüber früher nicht viel geändert.

Diakon Andreas Ragaller im Garten. Hier kann er von seiner Doppelbelastung durch Beruf und kirchlicher Arbeit abschalten.

 

Erklären Sie uns bitte zwei Begriffe, die in Ihrem Lebenslauf stehen: Was ist ein "Akolyth" und wie unterscheidet sich ein "normaler" Diakon von einem "ständigen"?


Ragaller: Als Akolyth hat man mit dem Allerheiligsten zu tun, also mit Brot und Wein, gewandelt in Leib und Blut Christi. Man bereitet den Altar vor und reinigt hinterher die Gerätschaften. "Ständiger Diakon" heißt, dass ich kein Priester werden kann, weil ich verheiratet bin und im Beruf stehe. Das ist für mich also die höchste Weihestufe.

 

Was genau macht ein Diakon und wie unterscheidet er sich von einem Priester?


Ragaller: Ein Diakon darf Andachten und Wortgottesdienste halten, Taufen und Beerdigungen vorstehen und der Eheschließung assistieren. Er führt Seelsorge-Gespräche durch, teilt die Kommunion aus, segnet, hält Predigten und "muss", je nach Pfarrer (schmunzelt), sogar singen. Im Vergleich zum Priester darf ich zum Beispiel nicht die Beichte abnehmen und kann eigenständig keine Eucharistie feiern, da die Wandlungsworte nur ein Priester sprechen kann.

 

Was verdient eigentlich ein Diakon? Das ist ja kein Ehrenamt.


Ragaller: Doch, es handelt sich zumindest in meinem Fall um ein Ehrenamt, für das es aber eine kleine Aufwandsentschädigung gibt.

 

Sie haben da nicht gerade wenige Aufgaben. Müssen Sie deshalb in Ihrem Zivilberuf kürzer treten?
 

Ragaller: Nein, den Beruf übe ich weiter voll aus. Deshalb war das schon eine herausfordernde Sache, vor allem während meiner Ausbildung zum Diakon. Da absolvierte ich ja auch ein Theologiestudium im Fernkurs, wobei ich einmal im Monat nach Passau fahren musste. Hinzu kamen Ausbildungseinheiten mit fünf Wochenenden im Jahr und während der ganzen Pfingstwoche. Nicht zu vergessen das Praktikum mit etwa fünf Wochenstunden. Dabei kommt man oft an Grenzen.

 

Haben Sie noch genug Zeit für die Familie?


Ragaller: Ja. Für uns als Ständige Diakone soll ja die Familie ganz oben stehen. Dann kommt der Beruf und dann erst das Diakonat. Aber die Übergänge sind hier fließend. So habe ich das Diakonat immer auch als Familien-Berufung gesehen. Es geht nicht darum, dass ich mich dabei verwirkliche. Wenn die Ehefrau nicht dahinter steht oder meinen Weg mitgehen kann, wird’s schwierig. Gerade während der Ausbildung hat mir meine Frau den Rücken freigehalten. Sie ist ja auch selbst im Pfarrverband engagiert – und ich bin immer noch Kirchenpfleger.

 

Dann bleiben vermutlich alle anderen Hobbys auf der Strecke, oder?


Ragaller: Nicht ganz. Ich bin immer noch leidenschaftlicher Skifahrer. Und im Sommer betätige ich mich gerne im Garten.

 

Als Jugendlicher sind Sie von der evangelischen zur katholischen Kirche übergetreten. Wie kam denn das?


Ragaller: Das war keine Glaubens-Entscheidung, sondern hat sich so ergeben. Ich bin als Kind evangelisch getauft worden, weil die Eltern meiner Mutter, die aus der DDR geflüchtet waren, evangelisch waren und das so wollten. Mein Vater hingegen war katholisch. Als ich in die 5. Klasse kam, haben meine Eltern beschlossen, dass ich katholisch werde, weil wir ja im katholischen Niederbayern lebten. Ich habe dann Einzel-Religionsunterricht beim Stadtpfarrer bekommen, um das nachzuholen, was meine Mitschüler schon in der Grundschule gelernt haben. Bei einem ganz normalen Sonntagsgottesdienst erhielt ich meine Erstkommunion.

 

Dann mit 44 Jahren der Wunsch, Diakon zu werden. Wie kam es dazu? Hatten Sie ein sogenanntes Erweckungserlebnis?


Ragaller: Tiefer in den Glauben hinein fand ich bereits ab 2013. Damals, beim Tod meines Vaters, hat sich irgendwas in mir drin verändert. Plötzlich war es mir wichtig, ein Kreuz in Herznähe zu tragen. 2018 hatten wir dann in unserem Pfarrverband eine besondere Fastenzeit. Ein Missionar kam zu Gast und wir hatten Bibel-Gespräche in Kleingruppen. Das alles hat ein richtiges Feuer in mir entfacht. Da hab ich plötzlich eine Liebe in mir gespürt, die regelrecht übergeflossen ist. Und ich sagte mir: Das muss ich irgendwie weitergeben können, bevor es sich verläuft. Nach dieser Fastenzeit fragte ich mich: Falle ich wieder in das alte Schema zurück oder geht es weiter? Ich habe eine besondere Verbindung zu unserer Wallfahrtskirche St. Anna, wo wir seither wöchentlich eine Anbetung halten. Und dort spürte ich immer mehr: Der Herr will etwas von mir. Leider wusste ich nicht, was genau. Das ging zwei bis drei Monate so und ich bin schon fast verrückt geworden. Ich hab Gott regelrecht angefleht, mir ein Zeichen zu geben. Dann haben mich innerhalb einer Woche drei verschiedene Leute auf die Möglichkeit, Diakon zu werden, angesprochen. Also hab ich mit dem Bistum Passau Kontakt aufgenommen, um nähere Informationen zu bekommen. Kurz darauf kam ein Anruf von Domkapitular Auer. Nach einem Vier-Augen-Gespräch mit ihm in Passau war mir klar: Genau das ist es.

 

Und dann nahm alles seinen Lauf?


Ragaller: Na, so einfach war’s nicht. Meine Frau hatte Bedenken vor den Reaktionen aus dem Umfeld, wenn ich von außen betrachtet für viele gleichsam von Null auf Hundert eine kirchliche Laufbahn einschlagen wollte. Und in der Tat wussten wir ja nicht, was da alles auf uns zukommen würde, wenn ich diesem Wunsch nachgehe.

 

Trotzdem haben Sie ihn verwirklicht ...


Ragaller: Da ist dann Pfarrer Peter Kieweg ins Spiel gekommen, der in Gesprächen mit mir und meiner Frau die Zweifel zerstreuen konnte, indem er uns darauf hinwies, dass ein Ja dazu heute nicht automatisch ein Ja zur Weihe ist. Und das ist ja auch der Sinn einer mehrjährigen Ausbildung: dass man es probiert; kirchlich gesprochen: dass man seine Berufung überprüft. Wenn man es aber nicht testet, so der Rat unseres Pfarrers, dann wird man sich vielleicht immer fragen, ob man es nicht hätte tun sollen.

 

Sie sagten vorhin, Gott habe etwas von Ihnen gewollt. Andererseits ist das ganze Universum physikalisch erklärbar. Wo hat da noch ein Gott Platz?


Ragaller: Physikalisch erklären kann man aber zum Beispiel Liebe oder Hass auch nicht. Und dennoch sind diese beiden ziemlich real, oder nicht? Die Bibel gibt uns keine naturwissenschaftlichen Erklärungen, das ist nicht ihr Anliegen, sondern betont, dass im Letzten alles in Gott gründet und dass es so eigentlich im Gegenteil keinen Platz gibt, wo Gott nicht wäre. Ich persönlich spürte Gott durch den Überfluss an Liebe in mir. Dazu kam plötzlich das Bedürfnis, zu beichten. Das hatte ich eigentlich seit der Erstkommunion nicht mehr. Man glaubt gar nicht, wie befreiend es sein kann, seine Sünden loszuwerden. Und auf einmal stellte sich meine ganze Lebensführung um. Ich sah den Menschen mit ganz anderen Augen, nämlich als Geschöpf Gottes. Er ist genauso von Gott gewollt wie ich und somit einzigartig. Physikalisch hat sich an meinem Gegenüber nichts geändert, und dennoch kann ich ihn nun anders sehen. Das ist für mich etwas sehr Reales.

 

Laut Ihrem Weihespruch leben Sie "mit dem Herzen im Himmel". Wie stellen Sie sich den Himmel und das Leben nach dem Tod konkret vor?


Ragaller: Dieses Wort von Don Bosco drückt schön aus, wie ich den Diakon sehe: Er steht fest in der Welt, ist in der Gesellschaft, der Familie und dem Beruf verankert, richtet aber doch seinen Blick zu Gott und sucht bei ihm Halt. Insofern lebe ich "amtlich", was generell eine christliche Haltung sein soll. Und wie stelle ich mir das vor, was nach dem Tod kommt? Hm, ich glaube, das wird einfach der Wahnsinn, im positivsten Sinn, den man sich nur vorstellen kann. Natürlich ist uns genaues Wie verborgen, aber davon bin ich fest überzeugt: Der Tod ist nicht endgültig. Wenn man einen Menschen betrachtet, der eben gestorben ist, kann man das oft spüren: Die Hülle liegt da, aber die Seele ist noch irgendwie im Raum und macht sich auf einen besonderen Weg.

 

Anderes Thema: Warum sollten Priester nicht heiraten dürfen?


Ragaller: Ich stelle mir das praktisch ziemlich schwierig vor, seinen Job – den er rund um die Uhr ausübt – mit einer Familie in Einklang zu bringen. Er muss immer erreichbar sein und alles Private zurückstellen. Also, ich kann mir gerade als verheirateter Diakon einen verheirateten Priester nur schwer vorstellen. Eines ist klar: Einfach heiraten lassen, wie gerne gefordert wird, aber sonst ändert sich nichts am Pfarrer-Dasein, wie wir es kennen, das ist sehr naiv.

 

Viele wenden sich wegen der Missbrauchs-Skandale von der Kirche ab. Wie kann man da gegensteuern?


Ragaller: Ganz wichtig ist eine lückenlose Aufklärung, und natürlich muss man sich auch um die Opfer kümmern. Auch wenn das gerne anders dargestellt wird: Die katholische Kirche, so betont unser Bischof, ist die einzige Institution, die heute in dieser Art und Weise das Problem angeht. Dabei beschränkt sich das Phänomen des Missbrauchs ja bei weitem nicht auf die Kirche allein, sondern kommt überall da vor, wo es um Schutzbefohlene geht – zuerst in den Familien, aber beispielsweise auch in Sportvereinen. Es ist leider extrem schwierig, solche Dinge ganz zu verhindern. Wir sind alle aufgefordert, genau hinzuschauen und jeden Verdacht an die richtige Stelle zu melden.

 

In welchen Bereichen muss die Kirche moderner werden? Wie erreicht man die Jugend?


Ragaller: Die Kirche ist immer gerufen, sich zu erneuern, neue Wege zu gehen, um mit ihrer Botschaft die Menschen von heute zu erreichen. Wir im Pfarrverband probieren da ja auch einiges aus, aber gegen den allgemeinen Trend von Glaubensverlust ist schwer anzukommen. Es bleibt – wofür ich vielleicht selbst ein gutes Beispiel bin – zurzeit wohl eher bei Einzelnen, die man für den Glauben begeistern kann. Das gilt für Erwachsene, aber genauso für die Jugend. Ihnen den Glauben als eine gute Alternative anbieten, unverkrampft, sie ernst nehmend, einladend, das scheint mir in dieser Zeit ein Weg zu sein. Bei meinen Kindern versuche ich es, und weiß, wie schwer das ist, etwa inmitten aller Konkurrenz aus dem Internet.

 

Wäre es nicht hilfreich, kirchlichen Laien mehr Kompetenzen zu übertragen – auch im Hinblick auf den Priestermangel?


Ragaller: Das läuft bei uns im Pfarrverband bereits. Wir haben seit heuer einen Gesamt-Pfarrgemeinderat, der mit seinen Ausschüssen ziemlich in die Breite wirkt, etwa in der Seniorenpastoral. Auch für die Jugend wird viel getan. Es ist also kein Gremium, das nur einmal im Jahr ein Pfarrfest organisiert, sondern sehr stark ins Leben des Pfarrverbandes eingebunden ist.

Sie waren heuer der einzige neue Diakon in der Diözese. Wie kann man kirchliche Berufe wieder attraktiver machen?


Ragaller: Ich sehe den Diakon nicht als Beruf, sondern als Berufung. Kirchliche Berufe sind attraktiv. Das zu vermitteln, dazu gibt es beispielsweise am 12. November einen Informationstag in Passau, wo es in Kleingruppen unter anderem um Pastoral- und Gemeindereferenten, Ordenschristen und Priester und natürlich auch um den Diakon geht.

 

Was sind Ihre Ziele im Pfarrverband Ering? Was wollen Sie dort in Zusammenarbeit mit Pfarrer Peter Kieweg bewegen?


Ragaller: Im Praktikum durfte ich erkennen, dass die Senioren mir am Herzen liegen, also Besuche in Altenheimen oder Palliativ-Stationen mit Krankenkommunion. Aber wie sich das genau umsetzen lässt, das wird man erst noch sehen müssen. Es gibt ja auch noch die anderen Bereiche, die schon angesprochen wurden, wie die Liturgie oder die Jugend. Wir haben vereinbart, dass wir sich die Dinge entwickeln lassen und punktuell reagieren. Damit haben wir eigentlich bisher recht gute Erfahrungen gemacht.

 

Die Welt ist im Umbruch: Klima, Seuchen, Kriege, Hunger, steigende Preise. Macht Ihnen das Sorge oder haben Sie Hoffnung, dass die Menschheit das irgendwie hinkriegt?


Ragaller: Ich bezeichne mich gerne als optimistischen Realist. Grundsätzlich hoffe ich, dass die Probleme gelöst werden können. Außerdem muss man sich bewusst sein, dass es uns hier in Deutschland noch sehr gut geht. Verglichen mit anderen Ländern leben die meisten von uns im Luxus. Es ist wichtig, unseren Kindern zu vermitteln, auf die Schöpfung zu achten. Jeder kann was beisteuern für eine bessere Welt.

 

Welche Rolle spielt die Kirche dabei?


Ragaller: Sie sagt uns, dass diese Welt nicht alles ist. Sie wirft auch einen realistischen Blick auf sie und sagt uns: Sie ist nicht perfekt und wird es auch nie werden, ebenso wenig die Menschen. Aber das kann uns auch entkrampfen und inmitten aller großen Probleme im Kleinen Gutes tun. So hat es kein Geringerer als Jesus selbst getan. Und das ist und bleibt die Rolle der Kirche: Jesu Botschaft lebendig halten und seine Gegenwart feiern, in Freud und Leid.

 

Quelle PNP / Franz Gilg

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Veröffentlichung

Sa, 05. November 2022

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